»Autopoeme« by Gerhard Stickel | i |
 
creators: Gerhard Stickel
title: Autopoeme
year: 1966
material:

text, computer-generated

artwork type: text, computer-generated
Description

created at Deutsches Rechenzentrum Darmstadt
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Im Lichte dieses Kunstbegriffs ist die Poesie aus dem Computer ebenso gemacht wie jede andere Lyrik. Die 1966 von Gerhard Stickel erzeugten Autopoeme zum Beispiel entstanden mit einer IBM 7090. Das Programm enthielt ein Lexikon von 1200 Wörtern, von denen jedes eine Kennzahl als grammatische Bestimmung besaß. Die mitgelieferte Syntax bestand aus 280 Satzmustern mit Bezeichnern für die Satzglieder, die durch Wörter aus dem Lexikon ersetzt wurden. Ein Zufallsgenerator trieb das Ganze an, so dass beliebige Satzfolgen erzeugt werden konnten:

Die fröhlichen Träume regnen. Das Herz küßt den Grashalm Das Grün verstreut den schlanken Geliebten. Fern ist eine Weite und melancholisch. Die Füchse schlafen ruhig. Der Traum streichelt die Lichter. Traumhaftes Schlafen gewinnt eine Erde. Anmut friert, wo dieses Leuchten tändelt. Magisch tanzt der schwache Hirte. Gerhard Stickel, Autopoem Nr. 312 (1966)

Dieses Autopoem ist allerdings nur in der Zusammenschau von Produkt und Produktionsbedingungen ein Kunstwerk. Die in ALGOL geschriebene Software gehört ebenso dazu wie die Lochkarten, in die sie gestanzt wurde und die Rechenanlage, die sie ausführt. Insoweit hat nicht der Computer Kunst geschaffen, sondern der Mensch einen Computer befähigt, Teil eines Kunstwerks zu sein.

Die Autopoeme und die anderen stochastischen Texte der späten 1960er Jahre markieren einen Endpunkt. Nach 1968 sind kaum noch Experimente in diesem Genre gewagt worden. Dies mag an einem Problem liegen, das die stochastischen Texte mit anderen Formen der experimentellen Literatur gemeinsam haben: Sie wirken nur, wenn sie neu sind. Eine Lyrik, die der Sinnsucht des menschlichen Geistes keinen Stoff bietet, kann lediglich verblüffen; ein Effekt, der sich sehr schnell abnutzt. Sie findet darum nur zur Zeit ihrer Erfindung die Aufmerksamkeit der Leser – und der Künstler.

(source: Ingo Steinhaus, http://blog.denkschriften.de/?p=22)

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